Kirchenaustritt - Kircheneintritt

Kirchenaustritt – Kircheneintritt

Zum Jahresbeginn wurde in den Medien vermehrt über die Austrittszahlen aus den großen Kirchen berichtet. Diese Zahlen waren im letzten Jahr besonders hoch. In Deutschland sind inzwischen weniger als 50% der Menschen Mitglied in der katholischen oder der evangelischen Kirche. Die orthodoxen Christen und die Mitglieder der Freikirchen sind hier nicht mitgerechnet. Zählt man sie noch hinzu, sind noch klar über 50% der Bewohner Deutschland in einer christlichen Kirche. Der Trend ist aber deutlich: Wir werden kleiner und verlieren an Bedeutung.

Unterschiedliche Gründe bewegen die Menschen, ihre Kirche zu verlassen. Enttäuschung über die Fehler der Kirche werden genannt. Die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale war tatsächlich schlecht und hat viel zu lange gedauert. Manchmal berichten mir Menschen von guten Kirchenerfahrungen in der Jugendzeit und von einer schleichenden Entfernung vom kirchlichen Leben als Erwachsene. In letzter Zeit wird die Inflation mit ihren steigenden Preisen oft als Grund angeführt. „Ich glaube nicht (mehr) an Gott“ ist ein weiterer Grund für den Kirchenaustritt. Unzufriedenheit mit der Gemeinde am Wohnort habe ich so gut wie nie als Begründung gehört. Auch unsere sozialen Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Beratungsdienste werden allgemein sehr geschätzt. Die gute kirchliche Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt, die inzwischen als vorbildlich bezeichnet werden kann, wird leider so gut wie nie bemerkt.

Wer aus der Kirche austritt, erhält einen Brief von mir. Dabei geht es nicht darum, Menschen ins Gewissen zu reden. Wer austritt, hat sich das gut überlegt und sicher seine Gründe. In meinem Brief geht es darum, ein Gesprächsangebot zu machen, Interesse am Weg eines anderen Menschen auszudrücken und einen guten Abschied zu finden, bei dem erkennbar wird, dass sich beide Seiten schätzen und weiterhin in die Augen schauen können. Das Signal von uns als Kirche an alle Ausgetretenen heißt: Unsere Türen sind immer für Euch offen. Dieser Gedanke passt auch zu unserem Verständnis vom Sakrament der Taufe. Die Taufe ist unverlierbar und zählt weit mehr als eine Kirchenzugehörigkeit.    

Manchmal werden wir aber auch gefragt, wie man wieder in die Kirche eintreten kann. In einem persönlichen Gespräch sprechen wir dann über dieses Vorhaben, nehmen Daten auf und vereinbaren einen Termin für die Wiederaufnahme. Diese findet dann im Rahmen eines persönlich gestalteten Gottesdienstes  in der Kirche statt, der ungefähr 10 Minuten dauert. Ich kann allein kommen oder mir nahestehende Menschen mitbringen. Dabei wird etwas aus der Bibel vorgelesen und kurz erklärt. Wir beten das Glaubensbekenntnis und auch das Vater Unser. Ein persönlicher Segen steht am Ende dieser kleinen Feier. Fast immer schaue ich danach in strahlende Augen und frohe Gesichter. „Ich bin wieder dabei, es ist gut“ habe ich schon häufiger, verbunden mit einem tiefen Durchatmer, gehört. Auch für Seelsorgerinnen und Seelsorger sind das schöne Momente.

(Text: Dechant Thomas Hoffmann, Februar 2023)